Einfach einfach

Foto: Langis. Katja Hrup, 2019

Auf dem Nachhauseweg

Eisige Nacht.
Aber der Mann auf dem Gehsteig,
den Kopf im Nacken,
rührt sich nicht.
Sein Blick steckt fest
in einer Sternverwehung.

Rainer Malkowski (1939-2003)

Liebe Leserschaft

Das Froilein bekennt sich als grosser Fan von Rainer Malkowski. Er war ein Künstler der Verdichtung, der Lyriker, der der Einfachheit und der Lakonik etwas federleichtes verlieh und dennoch: wer seine Gedichte liest, merkt rasch, dass in der Einfachheit auch das Gewicht der Welt liegen kann.

Liebe Leserschaft, das Froilein wünscht Ihnen nicht alle möglichen Gaben. Das Froilein wünscht Ihnen vor allem viele Sternverwehungsmomente, die Sie berühren. Es wünscht Ihnen unzählige Blicke in den weiten Himmel. Mögen Sie dabei immer und immer wieder Ihre Träume und Ihre Gedanken auf eine Reise schicken, im Wissen, dass diese irgendwann und irgendwo ankommen werden.

Herzlichst, Ihre Schreiberin

Auf ein Neues

Eine lange Zeit blieb es um das Froilein still. Nicht etwa, weil das Froilein schweigen musste, sondern weil es schweigen wollte. Für das Froilein war es ein Jahr voller Abschiede und zugleich eines voller Neuanfänge. Emotionen kamen und gingen. Ebenso Ideen, die keimten und wieder verworfen wurden. Rastlosigkeit wurde durch Musse ersetzt und Spontaneität nahm den Platz von Planung ein.
So plätscherten die Tage des Froileins dahin, keiner glich dem anderen, doch jeder war dazu da, das Froilein aufzufangen, es wissen zu lassen, dass es jenseits aller Geschäftigkeit auch eine Zeit gibt – eine, die es für sich selbst benötigt und die es sich ohne zu fragen nehmen darf.
Mit diesen Worten wünsche ich der Leserschaft frohe Festtage und einen guten Start im 2019 und bedanke mich für die Treue und die Geduld. Die Stille ist es, die es uns ermöglicht, Worte zu finden, die in uns schlummern. Geben wir ihnen die Chance, gehört zu werden. Auch im neuen Jahr.

Im Jahreskreis

Einmal noch
spielt der Abschied mir
eine Schwalbe zu
umhüllt von nimmermüdem Schweigen
schlummert er zerbrechlich
scheint verloren
bis die Hoffnung keimend
ihn an der Hand nimmt
auf ein Neues
Blüten treibt

– katja hrup 2018 –

Alles ausser Liebe

Hin und wieder wird das Froilein darum gebeten, etwas über die Liebe zu schreiben. Ebenso oft, wie es darum gebeten wird, schlägt das Froilein den Wunsch nach Texten und Geschichten über die Liebe aus.

Warum?

«Liebe», geschätzte Leserschaft, ist ein derart grosser, mächtiger und angsteinflössender Überbegriff, einer, der in so viele Nuancen zu unterteilen ist, wie Menschen existieren. Und auch dort, in der Seele eines jeden Menschen, wirft der Begriff «Liebe» unterschiedliche Fragen auf, öffnet und schliesst er Türen im Unterbewusstsein, verlangt nach Wahn oder Wahrheit. Er trägt Menschen in ungeahnte Höhen, um sie daraufhin in die tiefsten Tiefen des Selbstzweifels fallen zu lassen. Selbst Shakespeare, dem grössten Dichter seiner Zeit, ist diese fürchterliche Ambivalenz in seinen unangefochtenen Werken anzumerken. So ist man heute noch beim Lesen seiner Werke geneigt zu denken, der Meister der Dichtung sei von Schizophrenie befallen gewesen. Mal lobt er die Liebe als Antrieb des Lebens, mal zerreisst er sie in ihre Einzelteile. Im Drama «Romeo und Julia» wagt er zu behaupten, dass Liebe alle und alles besiegen kann, auch über den Tod hinaus («kein steinern Bollwerk kann der Liebe wehren, denn Liebe wagt, was Liebe kann»). Während er sich im Stück «ein Sommernachtstraum» dem Wesen der Liebe komödiantisch, beinahe schon ironisch nähert («was soll ich mit der Liebe, wenn sie den Himmel mir zur Hölle macht»), zeigt er in «Othello», dass es mit ihr auch ein tragisches Ende nehmen kann. Denn Othellos Eifersucht ist es, die ihn dazu treibt Desdemona, sein Weib, im Ehebett zu erdrosseln («und dennoch fürcht’ ich dich, denn du bist schrecklich, wenn so dein Auge rollt. Warum ich fürchten sollte, weiss ich nicht, da ich von Schuld nichts weiss; doch fühl’ ich, dass ich fürchte»). Erst als Othello seinen Irrtum bemerkt, ersticht er sich selbst.

Shakespeare hat es geschafft: des übermächtigen Begriffs «Liebe» wahres Wesen aufzuzeigen. Aber auch er musste dafür etliche Dramen, Tragödien und Komödien schreiben, die – unbestritten – noch heute zu den bedeutendsten Bühnenstücken der Weltliteratur gehören.

Die «Liebe», geschätzte Leserschaft, ist eine Nummer zu gross. Für die meisten von uns – nicht nur für mich. Denn als grosses Ganzes will sie weder beschrieben noch gelebt werden. Die «Liebe», so scheint mir manchmal, entzieht sich allen Gesetzen, die wir für sie erstellt haben und führt uns nur zu gerne an der Nase herum.

Trotzdem: das Froilein beobachtet gerne. Und daraus entstehen Texte oder Gedichte. Ab und an haben die auch etwas mit «Liebe» zu tun. Mit Gewissheit zu sagen ist jedoch: das Froilein tut dies aus und mit Liebe. Und das ist es doch, was zählt.

Verflüchtigt

Zwei Fremde
getroffen von Amors Pfeil
mitten ins Herz
gehen zu Boden
berauscht
beraubt
betrogen
um des einen tiefen
Gefühls
der Verbundenheit
zweier Seelen.

So bleiben sie
liegen
bluten aus
nur Amors Pfeil
bleibt zurück
selbst die Hoffnung
die zuletzt stirbt
stirbt mit ihnen
mit.

Des Lebens Andante

Ich hangle mich
entlang
den Linien
im Wechselspiel
von Moll und Dur
stets bestrebt
zu schaffen
einen Raum
für Zwischentöne

In diesem Raum
nur
will ich verweilen
darauf warten
dass einer
unter ihnen
meine Seele
aufbricht und
zum Klingen bringt

So hangle ich
mich weiter
Solistin
zum gleichen Teil
auch Instrument
den Zwischentönen
folgend
letzten Endes Teil
der Melodie

Der Überrest

Ich kremple
nach aussen
mein Innerstes
es zaghaft
wieder überstülpend
wie ein neu
erworbenes Kleid
zieh zurecht
was zurecht zu ziehen gilt
stets versucht
es sorgsam zu behandeln.

Der Alltag tut
sein übriges
nutzt ab
nutzt aus
bis irgendwann
nicht aufzuhalten
das Ende naht
entbehrlich bleibt
allein
der letzte Fetzen
Seele.