Des Teufels Divis

Er besudelt, verunstaltet, zerstückelt in einem fort, was nicht zu zerstückeln gilt. Trennt ohne Scham, was zusammengehört. Verankert sich im Unterbewusstsein. Karzeriert, bevor er in einem ungeahnten Ausmass zu wuchern beginnt. Verbreitet sich wie ein Virus und selbst erfahrene Schreibende sind vor einer Ansteckung nicht gefeit. Zum Schluss die Tragödie: der Leselandschaft Tod. Ersetzt durch eine Strichlandschaft. Ein Schlachtfeld auf dem Papier. Ein Bild des Grauens.

Der Binde- oder Trennstrich, auch Divis genannt. Er ist des Teufels, liebe Schreibkräfte! Nichts gegen einen Strich – wenn er denn richtig gesetzt wird. Doch was mir in letzter Zeit selbst in namenhaften Zeitschriften aufgetischt wird, springt mir regelrecht ins Auge, sticht zu, rüttelt an meinen Seh- und diversen anderen Nerven. Deppenbindestrich über Deppenbindestrich. Kopfschütteln über Kopfschütteln.

Es ist und bleibt mir ein Rätsel, weshalb Schreibende und Korrektoren beider Geschlechter dazu neigen, Substantive, die jahrelang zusammenhängend geschrieben wurden, durch einen Bindestrich zu trennen? Weshalb wird aus Käsekuchen plötzlich Käse-Kuchen? Schmeckt er dadurch besser? Mehr nach Käse? Oder kuchiger? Schmeichelt ein Bier aus dem Zapf-Hahn an einem Mittwoch-Abend den Gaumen mehr als an einem stinknormalen Mittwochabend? Und was passiert wirklich in einem Bildungs-Institut, so frage ich mich?

Nicht die Tatsache, dass die Verwüstung durch Bindestriche den Lesefluss ruiniert, sondern wohl eher diejenige, dass die Schreibkraft sich gedankenlos und unwillkürlich irgendwelcher Interpunktionszeichen bedient und mit dieser Unart der Leserschaft keine zusammenhängenden Wörter mehr zutraut, stört mich. Liebe Schreibende: Satzzeichen haben eine Wirkung, sagen etwas aus. Sogar, wenn sie weggelassen werden.

Erinnern wir uns doch an Mary Poppins und ihr «supercalifragilistigexpialigetisch». Wohlwahr: Bereits im Primarschulalter ist ein Kind fähig, längere Wörter zu lesen, auszusprechen, gar zu singen ohne über Bindestriche zu stolpern. Oder rufen wir uns «s’Totemügerli» von Franz Hohler ins Gedächtnis; ein Elaborat sondergleichen. Vor zusammengesetzten Substantiven, ausdauernden Verben und Adjektiven nur so strotzend. Vom berndeutschen Dialekt mal diskret abgesehen, ist uns doch dieser Lese- und Sprachakt in der Regel gut gelungen, auch ohne jegliche Trennstriche, nicht wahr?

In  diesem Sinn: wer setzt, dann richtig. «Rien ne va plus» heisst nicht, beim Verfassen von Texten damit aufzuhören, sich mit Rechtschreibung zu beschäftigen. Bedeutet jedoch nach wie vor, seine Texte zu hinterfragen, zu prüfen und sie immer wieder von der Leserseite auszuleuchten. Man kann über Grammatik und Rechtschreibung pfuttern wie man will, doch so sind es die sauberen stilvollen Texte, die mich überzeugen, glaubhaft wirken. Alles schludrige geht mir gegen den Strich.

Übrigens: wer jetzt denkt, «na, dann lass ich die Deppen-Binde-Strich-Scheisse einfach weg», der sei gewarnt. Ein Leerzeichen zwischen Wörtern die zusammengehören, wird Deppenleerschlag genannt und macht die Sache nicht besser.

Olma-Bashing

Eine Schmähschrift spaltet die Gemüter. Per Wikipediadefinition wird sie wie folgt beschrieben:

«Ein Pamphlet oder eine Schmähschrift ist eine Schrift, in der sich jemand engagiert, überspitzt und polemisch zu einem wissenschaftlichen, religiösen oder politischen Thema äußert. Die sachliche Argumentation tritt dabei in den Hintergrund; die leidenschaftliche Parteinahme gegen eine Sache hingegen überwiegt bei der Argumentation. Die Herabsetzung einer anderen Person wird dabei billigend in Kauf genommen oder ist sogar das eigentliche Ziel des Pamphlets. Diesem Ziel werden Argumentation, Sprachstil und besonders die rhetorische Ausgestaltung untergeordnet: der Herabsetzung des Gegners dienen etwa Verkleinerungsformen oder Tiermetaphern.»

Ralph Weibels Text über die Olma zeigt wie’s geht. Und so lässt das Froilein ausnahmsweise einen Gast auf Textzentrale.ch zu Wort kommen. Zum Brüllen komisch. Findet zumindest die Redaktion. Und Sie?

Olma-Bashing von Ralph Weibel

Neulenker unter sich oder die Destruktion der deutschen Sprache

Sprache wandelt sich. Das war immer so und wird sich auch in Zukunft nicht ändern. Die eine Reform löst die nächste ab, die Rechtschreibung wird alle paar Jahrzehnte mal über den Haufen geworfen, schon alleine des Spasses wegen. Wenn Germanistiker sich ängstigen, der Gesprächsstoff könnte ihnen irgendwann ausgehen, haben sie weit gefehlt. Sie dürfen weiterhin ihre Köpfe zusammenstecken und sich über neue Sprachphänomene wundern, beziehungsweise austauschen, so viel ist sicher. Langweilig wird es nicht, wenn es um die Sprache und ihre Wissenschaft geht. Bis dahin also alles easy.
Mit diesem Wissen im Gepäck wandle ich demnach durch Zeit und Raum, wirke oftmals schon veraltet, weil ich mit Worten hantiere, gar hinterherhinke, die heute kaum einer noch zu gebrauchen gedenkt. Die ich dennoch nicht weniger schön finde. Aber was bringt es, Worte zu benutzen, die der heutigen Generation völlig fremd scheinen? Kann man dann noch schreiben, was man eigentlich sagen möchte oder muss man bereits das Gesagte transkribieren? Bis dahin also alles easy.
Aber heute, heute morgen im Parkhaus, machte ich mir zum ersten Mal in meinem Leben ernsthaft Sorgen um das Sprachgut und seine Benutzung. Den Sorgen ging folgender Dialog zwischen zwei Neulenkern voraus (beide aus dem Seitenfenster raus brüllend):

«He, Aldda!»
«Wa?»
«Mach ma wech!»
«Wasn?»
«n’Arsch!»
«Wasnfürn’ Arsch! Du bis fürn’Arsch!»
«Aldda! Schieb ab und halt’s Maul!»
«Selba!»

Liebe Menschen des 21. Jahrhunderts ich bitte inständig darum: formuliert ganze Sätze und schluckt Wortendungen nicht einfach runter, wie der letzte, unzerkaute Bissen eures Schnitzels vom Mittagessen. Ach, wie oft könnten wir Missverständnisse vermeiden. Solltet ihr vergessen oder nie gelernt haben, wie das geht, schaut es euch bei denen ab, die es noch können. Ansonsten tut mir den Gefallen und benutzt einfach eine Art Zeichensprache. Alles andere kommt etwa der Amputation eines Körperteils gleich.

P.S: Insgeheim hoffe ich ja, die Kinder der beiden jungen Männer aus dem Parkhaus mögen sie wieder finden. Die anderen Buchstaben des Alphabets. Ich hoffe, sie mögen wieder eine Sprache finden, die der Menschheit würdig ist. Eine, die uns doch noch vom Tier trennt.