Geschuhlte Leserschaft
Haben Sie sich auch schon gefragt, wo sie herkommen? All die Schuhe auf Autobahnen und Kantonsstrassen oder gar jene abseits jeglicher Zivilisation, an Feldwegen herumlungernd? Nie paarweise sondern immer nur Einzelstücke, sogenannte Schuhnikate?
Ich fuhr letztens wieder an einem vorbei. Ein klobig verdreckter Salomon-Bergschuh. Sein letzter Träger hatte wohl genug vom Wandern und setzte Salomon mir nichts dir nichts in freier Wildbahn aus. Sollte der doch selber schauen, wie er zurecht kam. Und Salomon verharrt nun seiner letzten Tage – autonom, sich selbst überlassen – zwischen Flur und Weide und erfreut sich an den irritierten Blicken Durchreisender.
Salomon bleibt kein Einzelfall. Oh, nein. Diese Schuhrebellion nimmt erschreckende Formen an. Da liegt ein Puma hier, ein Manolo Blanik dort, Flip verlässt Flop auf der A2 zwischen Luzern und Sursee und Adidas-Schlarpen, die, ja die scheinen beängstigend gerne an Strassenböschungen abzuhängen. Ob sie von ihrem Pendant – rechts oder links – vermisst werden, das weiss der Geier. Das jeweilige Gegenstück ausfindig zu machen, das, geschuhlte Leserschaft, wär in der Tat ein Nonsensunterfangen.
Man möge sich die schuhrige Szenerie vorstellen: Irgend ein Schuhfetischist träge alle Schuhnikate – egal ob gross oder klein, dick oder dünn, ausgelatscht oder beinahe neu – nun, er träge alle Schuhe zusammen und legte sie auf einen Haufen. Und der Haufen würde wachsen. Wachsen zu einem Schuhldenberg und unter diesem Schuhldenberg wäre die ganze Schweiz begraben und die wenigen Überlebenden, genannt Schuhfte, würden sich einen Salomon Bergschuh krallen müssen um die Schuhtthalde hinaufkraxeln zu können. Oben angekommen, die Luft schon reichlich dünn, würden sie sich in die Arme fallen und rufen: oh Bata, Vögele, Ochsner Sport, Dosenbach und alle Schuhtzheiligen. Vergebt uns Schuhldigen. Es fällt uns nun wie Schuhppen von den Augen, wie schuhsselig und achtlos wir mit dem Schuhwerk umgegangen sind.
Und ich? Ich gehe gerne barfüssig durch die Welt und schreib über Schuhe. Ich bin der Schuhster, der bei seinen Leisten bleibt.