Vakuum

Nichts                                                                                                                  von
kommt                                                                                                                 Nichts

                                                              ist Seele

Geht ins                                                                                                                was
Nichts                                                                                                                   bleibt

Im Hinblick auf die Ereignisse der vergangenen Wochen musste oder durfte ich mich der Ohnmacht hingeben, keine Worte für Geschehenes zu finden. Auf einmal schien die Tätigkeit des Schreibens zu banal, zu nutzlos. Auch heute noch stolpere ich über Formulierungen, die nicht trivial und abgedroschen erscheinen mögen, immer in der Hoffnung etwas Gutes daraus zu schaffen.

Einmal mehr hat mir diese Ohnmacht gezeigt: Worte sind stark. Jedes einzelne spielt eine Rolle, kann andere tragen, andere formen. Ein Wort trifft das Nächste. Zusammen bilden sie Sätze, deren Inhalt andere Worte, andere Sätze nach sich ziehen. Ein Wort baut auf das Andere, bis ein Gerüst entsteht, das vieles zu halten und auszuhalten vermag. 

Manchmal dauert es eine Weile, bis die Sprache die Autorin oder den Autoren wiederfindet. Manchmal sagen weniger Worte mehr als 1000 Phrasen. Aber sie sagen was. Lasst es uns ihnen gleichtun.

Work in Progress

Beileibe nicht immer ist es leicht, die passende literarische Form für seine Gedanken zu finden. Ab und zu hilft es die Worte in den unterschiedlichsten Formen niederzuschreiben und – gegen jegliche Logik – den Bauch entscheiden zu lassen. Unschwer zu erkennen ist dabei: Schreiben ist und bleibt ein Handwerk. Wer genügend Ausdauer und Musse mit sich bringt, kann mit Worten zaubern und verzaubern.

Hier mein Beispiel als Dreisatz/ Prosa:

Eingeäschert
Als Pfand legtest du 1000 Sterne unter mein Kissen. Wie lose Versprechungen verglühen sie 1000 Monde später in meiner Hand. Einer nach dem anderen.

und als Gedicht:

Eingeäschert

Tausend Sterne legtest du
unter mein Kissen
als Pfand
tausend Monde später
verglühen sie
in meiner Hand.

Einer
nach
dem
anderen.

Surreal aber schön

Ganz meinem Naturell entsprechend, schreib ich liebend gerne auch mal dadaistische Dinge und hab meinen Spass daran. Alleine schon deswegen, weil in der Regel auch die surrealsten Sätze irgendwann bei irgendwem einen Sinn ergeben (könnten, müssten, dürften). Beim Leser, beim Schreiber, bei Nachbars Zwetschgenbaum. Sollte es aller Anstrengung zum Trotz doch keiner verstanden haben, bleibt Ihnen der Trost, dass die Katze blau bellt und Gurken gerne rund (oder so ähnlich). Try and enjoy it!

Wenn Unsinn rasant den Bach runter geht, rührt der Sinn die Verzweiflung in einer watteweichen Schüssel zu einem betondurchtränkten Kuchen.

zeitloser Kandinsky

Zu Beginn der Ausbildung an der SAL erhielten wir den Auftrag einen kurzen, dadaistisch angehauchten Text über das Bild von Kandinsky zu schreiben.
Die Zeilen fielen mir heute in die Hände und brachten mich zum Nachdenken. Über die Situation in der Ukraine. Über Macht und Ohnmacht. Und darüber, dass Texte zeitlos sein können. Sei es das Russland von 1916 oder das Russland von Heute: Aufruhr, Hunger, Revolte und Krieg herrschen immer noch und immer wieder. Leider.

Wassily-Kandinsky-Moscow-I-Oil-PaintingWassily Kandinsky “Moskau” (1916)

“Tot, tot, tot!”, schreit die Orgel aus dem Kreml.
Siebenmeilenstiefel und bockstössige Himbeertürme schlagen Purzelbäume.
Durch die Gassen weht ein dunkles Licht. Frisst auf den Krieg.
“Revolte!” sagt der Bauch des armen Bauern. Frieden walkt die Bäckersfrau.
Und willig hüpft die Wolga über die Gräber der Genossen.
Der Himmel geht auf, zerbirst in tausend Scherben – Moskau verstummt.

 

 

Expressionismus

Der Expressionismus, nicht zu verwechseln mit dem italienischen Heissgetränk, ist eine eigene Ausdruckskunst der Literatur, die sich vorwiegend mit dem Thema Apokalypse auseinandersetzt. Die Texte sind reduziert auf Substantive und Verben im Infinitiv. Neologismen und Wortverbindungen sind mehr als erwünscht. Adverbien und Adjektive haben in expressionistischen Texten nichts verloren. In der Regel werden auch Satzzeichen weggelassen. Der Lesbarkeit wegen, hab ich trotzdem welche gesetzt:

Schulbesuchskopftuchträger lösen Weltuntergangsstimmung aus. Krise im Kreisgericht. Mittellandpestizide verschmutzen, vergilben, verdrecken, zerstören. Soldaten drehen Runden – Devise einmarschieren. Engel kommen, lügen, schwadronieren. Krise im Kreisgericht. Gerichtsverfahren trotzen Irrationalitäten umschlingen Organismen. Solisten solieren. Überbleibsel bleiben Reste von Gebeinen. Einzelteile atomisieren. Untergang. Krise im Kreisgericht. Himmelsstürmer fallen fallen fallen.